Die Grafschaft Bentheim in der Geschichte
Die genauen Zahlen der Opfer, die dieser Krieg forderte, lassen sich nicht bestimmen. Man schätzt, dass etwa 40 Prozent der Landbevölkerung und 20 bis 30 Prozent der Menschen in den Städten ihr Leben verloren, nicht nur durch direkte Kriegshandlungen, sondern auch durch Hunger und Seuchen.
Von den etwa 18 Millionen Menschen, die zu Beginn des Krieges in Deutschland lebten, kamen etwa ein Drittel um. Manche Gebiete, wie zum Beispiel die Stadt Hamburg, waren kaum vom Krieg betroffen. In der Pfalz, in Mecklenburg, Pommern, sowie in Teilen Württembergs und Thüringens hingegen war bis zu 70 Prozent der Bevölkerung ausgelöscht.
Die Grafschaft Bentheim war mehrfach von Kriegsereignissen betroffen. Heinrich Specht berichtet:
Aus Süddeutschland erschienen Tillys Scharen, aus den Niederlanden die Spanier unter dem Grafen von Anhalt. Kaiserliche, schwedische, lüneburgische, hessische Truppen durchzogen die Grafschaft. Ein Trupp hauste schlimmer als der andere. Nordhorn, Neuenhaus und Schüttorf verloren ihre Festungswerke und ihren Wohlstand. ...
Ein besonders hartes Schicksal ereilte Nordhorn. Um Martini 1622 erschienen die Mansfelder (1). Die Wagenmeister zogen mit ihrem Tross in die Wirtschaften und zechten auf Kosten der Stadt. Sie begehrten und erhielten 40 Tonnen Bier. In Schule und Rathaus vergnügte sich die Leibgarde an edleren Stoffen.
Um Jacobi 1623 floh der bei Stadtlohn geschlagene Christian von Braunschweig (2) nach Bentheim und forderte Brot, Wein und Gold. Im August 1623 wohnte der Graf von Anhalt auf der Nordhorner Burg. Im September folgte ihm Leutnant Assenburg mit 350 Pferden, 287 Soldaten, 17 Frauen und 60 Jungen. Die Einquartierungskosten beliefen sich auf 8.883 Reichstaler. ... Der Rat schätzte die Plünderungsverluste auf 16.870 Reichstaler.
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Nach Pastor Sartorius suchten 1634 kaiserliche Kriegsvölker unter Barcus de Suise die Stadt heim.
Was an Kleidern, Hausgeräten, Kühen usw. noch aufzutreiben war, führten sie nach Münster fort. Kinder von 10 - 12 Jahren entrissen sie den Eltern und lieferten sie erst nach Herausgabe des letzten versteckten Notgroschens an die hinter ihnen her schreienden Angehörigen wieder aus.
Obwohl der Pfarrer zweimal 50 Taler für die Verschonung der Kirche zahlte, drangen die Soldaten doch in das Gotteshaus ein, nahmen alles mit, was niet- und nagellos war und zertrümmerten das Gestühl. Der Schaden betrug 14.755 Reichstaler.
Den Heeren folgte die Seuche auf dem Fuße. 1636 schwang die Pest ihre Geißel über Nordhorn. Mehr als 1000 Leute, ein Drittel der Einwohner des Kirchspiels, trug man in einem Jahr zu Grabe. ...
Im Jahre 1637 rückte Rantzelo mit 2 Kompagnien ein und zündete die Stadt an; 118 Häuser gingen in Flammen auf. Nordhorn glich einem Trümmerhaufen. Viele Einwohner flohen. ...
Vom Lande verlangten die durchgehenden Truppen Stroh, Hafer, Zeug und Gold. ... Langte die Stadt das Geforderte nicht gleich heraus, so prügelten und drangsalierten die Truppen die Bürgermeister, Richter und Vögte. Auch verschleppte man sie wohl. So führten die Soldaten den Prior von Frenswegen und den Richter von Nordhorn nach Coesfeld, den Pastor Bocking von Ohne nach Rheine mit sich fort. Um Nachstellungen aus dem Wege zu gehen, flohen die Bürgermeister von Neuenhaus, die Pfarrer Neander in Bentheim, Hoedt in Uelsen. Beim Erscheinen plündernder Marodeure mussten die Bauerschaften von 1633 an nach gräflicher Anordnung trommeln, was oft Hilfe herbei rief.
Der Güterverkehr auf den Straßen stockte. ... Die Sitten verwilderten. In Schüttorf, wo der Rat ein Haus für einen Anker Bier weggab, wühlten Schweine die Särge aus den Gräbern.
"Die Fasten, Buß-, Bet- und Sonn- und Feiertage werden violiert mit Fressen, Saufen und Hurenliedersingen in den Wirtshäusern", schrieb Pastor Holstein ins Kirchenbuch.
In Neuenhaus wurde die Burg Dinkelrode schwer beschädigt. In der Stadt gab es schließlich nur noch 200 Häuser. Überall herrschte Niedergang, von dem sich das Land nur langsam erholte.
Anmerkungen:
(1) Ernst von Mansfeld (1580-1626) war einer der Söldnerführer im Dreißigjährigen Krieg. Ursprünglich auf Seiten der Protestantischen Union kämpfend, diente er in der Folge mehreren, auch katholischen Herren.
(2) Christin von Braunschweig und Wolfenbüttel, der "tolle Halberstädter" genannt, war einer der Heerführer, der ebenfalls auf protestantischer Seite kämpfte. 1621 stellte er ein Heer von 10.000 Mann auf. Er verwüstete die Stifte Paderborn und Münster, von umliegenden Städten forderte er Kontributionen.
Quellen:
- Das Bentheimer Land, Heimatkunde eines Grenzkreises, hrsg. von Heinrich Specht, Nordhorn 1934
- Ludwig Sager, Die Grafschaft Bentheim in der Geschichte, Nordhorn o.J.