Kurz nach dem 30. Januar 1933, dem Tag der "Machtergreifung", veranstaltet die Neuenhauser Ortsgruppe der NSDAP mit ihren Untergliederungen einen Fackelzug. Trotz Sturm und Regens bildet sich ein langer Zug, angeführt von der Neuenhauser Musikkapelle. Am 11. und 12. Februar 1933 veranstaltet die NSDAP zur Vorbereitung der Reichstagswahlen am 5. März 1933 große Kundgebungen und Aufmärsche für die Niedergrafschafter Ortsgruppen Neuenhaus, Veldhausen, Uelsen, Wilsum und Itterbeck, ebenso am 4. März, dem Vorabend der Wahl.
Die "Zeitung und Anzeigenblatt" in Neuenhaus meldet, in Nordhorn seien zwei Funktionäre der KPD, Ehlting und Jacobs, verhaftet und in das Gerichtsgefängnis in Neuenhaus gebracht worden. Andere ebenfalls verhaftete Mitglieder der KPD seien wieder entlassen worden. Hausdurchsuchungen bei KPD-Mitliedern gibt es auch in Schüttorf, Bentheim und Uelsen.
Die "Schütterer Zeitung" meldet, das Bentheimer Landratsamt habe Mitglieder der SA, der SS und des Stahlhelms zu Hilfspolizisten ernannt.
Die Gildehauser Einheitsliste für die Kreistagswahl vom 12. März 1933, angeführt von Bürgermeister Ernst Buermeyer, erhält 628 (= 66,7%) von 942 Stimmen, während die Nationalsozialisten lediglich 258 Unterstützer (= 27,4%) finden. Bei der gleichzeitig abgehaltenen Gemeindewahl erringt die Liste Buermeyers 675 Stimmen und sieben Mandate, während die Nationalsozialisten nur auf 259 Wähler und zwei Sitze kommen. Bei der anschließenden Bürgermeisterwahl wird Buermeyer einstimmig mit den Stimmen der beiden nationalsozialistischen Abgeordneten wiedergewählt. Der Bentheimer Landrat Dr. Gerhard Scheffler lehnt jedoch die offizielle Bestätigung der Wahl Buermeyers zum Bürgermeister aufgrund dessen politischer Vergangenheit ab, so dass dieser Ende März 1933 von seinem Amt zurücktritt.
Das Gewerkschaftshaus des Deutschen Textilarbeiterverbandes an der in Adolf-Hitler-Str. umbenannten Friedrich-Ebert-Straße wird von einer 16 Mann starken Abteilung der SA besetzt. Die Hakenkreuzfahne wird gehisst, ein Schild "NBO" (Nationalsozialistische Betriebsorganisation) angebracht, der Aktenbestand übernommen. Gewerkschaftssekretär Köhler, der wenig später dazu kommt, wird vor vollendete Tatsachen gestellt. Die Beschlagnahme wird vom Magistrat der Stadt gebilligt, das Haus in "Hermann-Göring-Haus" umbenannt. Im April wird die Geschäftsstelle des Zentralverbandes christlicher Gewerkschaften besetzt und geschlossen, Gewerkschaftssekretär Franz Lütkenhues ohne Gehalt beurlaubt. Köhler und Lütkenhues werden in der Folgezeit mehrfach inhaftiert, jeweils nach kurzer Zeit freigelassen, dann wieder inhaftiert.
Der Textilarbeiter Ferdinand Kobitzki (1890 - 1944) ist der einzige Vertreter der KPD im neu gewählten Kreistag. Er wird kurz nach der Kreistagswahl in „Schutzhaft“ genommen und in die Amtsgerichtsgefängnisse Neuenhaus und Osnabrück eingeliefert. Bis zum 16. Oktober 1934 wird er in den Konzentrationslagern Moringen, Brandenburg und Oranienburg gefangen gehalten. Nach seiner Haftzeit betätigt er sich weiter politisch im Untergrund. Das Sondergericht Hamm verurteilt ihn schließlich wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu einer mehrjährigen Zuchthausstrafe. Nach Strafverbüßung kehrt Kobitzki nach Nordhorn zurück und findet wieder Arbeit bei der Firma Ludwig Povel & Co als Weber. 1944, nach dem missglückten Attentat auf Hitler, wird er gemeinsam mit dem christlichen SPD-nahen Gildehauser Widerstandskämpfer Heinrich Kloppers an seiner Arbeitsstelle verhaftet. Kobitzki wird ins KZ Neuengamme eingeliefert, wo er an den Folgen der Haft am 14. Dezember 1944 stirbt.
Früher als anderswo geht man in der Grafschaft gegen die jüdischen Mitbürger vor. Die "Bentheimer Zeitung" berichtet an diesem Tage von der Schließung von Geschäften jüdischer Eigentümer: Geschäfte polizeilich geschlossen. Heute morgen wurden in Bentheim das Kaufhaus Neter, die Firma Meier Meyer, das Einheitspreisgeschäft (Ehawe) und die Schlachterei Gossels bis auf weiteres polizeilich geschlossen. Am gleichen Tag melden die "Nordhorner Nachrichten": Sämtliche jüdischen Geschäfte in Nordhorn geschlossen. Über die systematisch in den jüdischen Blättern im Ausland über Deutschland verbreiteten Greuelnachrichten ist die nationale Bürgerschaft Nordhorns verständlicherweise so erbost, dass mit Gewaltmaßnahmen gegen die hiesigen jüdischen Geschäfte gerechnet werden musste. Zum Teil wurden bereits einige Fensterscheiben jüdischer Geschäfte eingeschlagen. Die Polizeiverwaltung hat zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sämtliche jüdischen Geschäfte in Nordhorn heute vormittag geschlossen.
Im Februar 1933 wird in Nordhorn der "Nationale Bauernbund" gegründet. Er wurde geleitet von Dr. Korte, einem gebürtigen Ostfriesen, der seit Februar 1933 auch als Nordhorner Bürgermeister amtiert. Der "Nationale Bauernbund" überzieht die Grafschaft mit einer Reihe von Veranstaltungen und gründet mehrere Ortsgruppen. In der Folge treten ganze Ortsgruppen des Landwirtschaftlichen Kreisvereins zum "Nationalen Bauernbund" über. Derk Brink, einer der bis dahin führenden Vertreter der landwirtschaftlichen Organisationen und Vorsteher in Getelo, wird vom Landrat nach seiner Wiederwahl als Ortsvorsteher mit dem Vorwurf abgesetzt, er sei Sozialdemokrat. Johann Schütte als bisheriger Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisvereins, legt unter dem Druck von Dr. Korte und dem Kreisleiter Dr. Ständer sein Amt nieder. Im Mai ist die Gleichschaltung der Landwirtschaft abgeschlossen.
In Nordhorn wird ein Arbeitsdienstlager für 200 Arbeitsdienstfreiwillige eingerichtet. Auch in Bentheim wird im Jahr darauf ein Arbeitsdienstlager in der ehemaligen Leverkinckschen Stärkefabrik errichtet. Laut Schulchronik der Volksschule Bentheim ist es "jetzt eins der schönst gelegenen Arbeitslager des Gaus Weser-Ems". Am 8. August verkündet Landrat Niemeyer: ab Montag gibt es im Kreis Bentheim keine Arbeitslosen mehr. Die Freilichtbühne Bentheim ist 1933 derart zerfallen, daß die Tribüne im Herbst als Nutzholz und Brennholz verauktioniert wird. Unter staatlicher und städtischer Beihilfe wird im Frühjahr 1934 mit Hilfe des Arbeitsdienstes eine neue, größere Tribüne geschaffen.
Kreisleiter Dr. Ständer veranlasst die Verhaftung des jüdischen Bentheimer Kaufmanns Julius Neter, da ihm zugetragen worden sei, Neter habe sich abfällig über die neue Regierung geäußert. Der Kaufmann wird zunächst im Gerichtsgefängnis Bentheim festgehalten, später dann in das KZ Moringen gebracht.
Die "Ems-Zeitung" in Papenburg berichtet, in Nordhorn sei eine große Polizeiaktion durchgeführt worden, die sich gegen Kommunisten und Marxisten gerichtet habe. Es sei nach verbotenem Material und nach Waffen gesucht worden. 11 Personen seien festgenommen worden.
In Uelsen hatten Brüder aus der Familie Behrens, die von der SA zur KPD übergetreten waren, in SA-Uniform an KPD-Veranstaltungen teilgenommen. Einer der Brüder wird festgenommen, weil der das "Ehrenkleid der SA" besudelt habe.
Auf dem Neuenhaus Schützenfest äußert sich der Schlosser Gerhard Sloot ablehnend über das NS-Regime. Ein Justizangestellter schnappt diese Äußerungen auf und lässt Sloot auf der Stelle von einem Grenzbeamten und einem SS-Mann verhaften. Drei Wochen ist er im Neuenhaus Gerichtsgefängnis eingesperrt. Danach kommt er ohne Gerichtsverfahren in das KZ Börgermoor. Am 23. Dezember 1933 wird er entlassen.
Die neue Regierung setzt in den evangelischen Gemeinden Kirchenratswahlen an. Bereits 1932 hatten sich in den evangelischen Landeskirchen Grupperungen der "Deutschen Christen" gebildet. Kreisleiter der "Deutschen Christen" ist der Brandlechter Pfarrer Wilhelm Wiarda. Zu den Wahlen tritt diese Organisation mit einem großen Propagandaaufwand an. In Neuenhaus stellt der Kirchenrat einen mit der örtlichen NSDAP abgestimmten Wahlvorschlag auf, in Nordhorn und in Schüttorf kommt es zu Kampfabstimmungen zwischen verschiedenen Listen.
In Brandlecht, Nordhorn und Schüttorf erhalten die Listen der "Deutschen Christen" die Mehrheit. Als jedoch im November 1933 die Zentrale Mitgliederversammlung der "Deutschen Christen" im Berliner Sportpalast das Alte Testament und die Paulusbriefe als "jüdisches Machwerk" verwirft, tritt Wilhelm Wiarda aus der Organisation aus. In der Grafschaft wird es danach still um die "Deutschen Christen".
Der Schlosser Gerhard Sloot wird in ein KZ verschleppt. Er ist seit 1920 Mitglied der SPD und der freien Gewerkschaften. Im Wahlkampf 1933 überklebt er Plakate der NSDAP und hält mit seiner Ablehnung des NS-Staates nicht hinter dem Berg. Sloot sitzt drei Wochen im Neuenhauser Gerichtsgefängnis und wird anschließend ohne Gerichtsverfahren bis zum 23. Dezember 1933 im KZ Börgermoor festgehalten.
In Berlin tritt die von den "Deutschen Christen" beherrschte Generalsynode der preußischen Landeskirche zusammen. Viele Synodalen erscheinen im Braunhemd der SA. Es wird beschlossen, den staatlichen Arierparagraphen auch auf die Ämter in den Kirchen zu übertragen. Danach kann niemand Pfarrer oder kirchlicher Beamter werden, wer nicht arischer Abstammung ist oder mit einer Person nicht arischer Abstammung verheiratet ist. Soweit es solche Pfarrer oder kirchliche Beamte gibt, sollen sie entlassen werden.
Wenige Tage später gründen Martin Niemöller, Dietrich Bonhoeffer und andere den "Pfarrernotbund", der sich für die bedrohten Amtsbrüder einsetzt. Fünf Monate nach seiner Gründung zählt der Notbund 7036 Mitglieder bei 18.842 Pfarrern insgesamt. Die Zahl der Mitglieder schrumpft bis 1945 auf etwa 3933. Der Notbund bildet das Fundament der "Bekennenden Kirche". Am 22. September wird in Wittenberg der Pfarrer Ludwig Müller zum Reichsbischof ernannt. Die Vertreter der Evangelisch-reformierten Landeskirche der Provinz Hannover stimmen seiner Ernennung nicht zu.
In der reformierten Kirche gibt es ein heftiges Ringen um den rechten Kurs gegenüber dem NS-Staat. Die Mehrheit der Kirchenglieder begrüßt die Machtübernahme durch die NSDAP. Viele reformierte Pastoren treten den Deutschen Christen (DC) bei. Die meisten verlassen diese indes nach der Berliner Mitgliederversammlung der DC im November 1933, auf der das Alte Testament und die Paulusbriefe als jüdische Schriften verworfen wurden. In der Folgezeit kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der Kirche zwischen den Anhängern der DC, dem staatsnahen und beschwichtigenden Kurs der Kirchenleitung in Aurich und den Bekenntnispastoren, unter denen Friedrich Middendorff aus Schüttorf eine führende Stellung einnimmt.
In Nordhorn werden sechs Angehörige der KPD, die an einer "kommunistischen Geheimversammlung" teilgenommen hätten, verhaftet. Die Führer der SPD Karl Stube, Gerhard Sauvagerd, Bernhard Klinker und Paul Köhler müssen sich bis Mitte September täglich bei der Polizei melden. Sie waren vorher für zwei Tage in "Schutzhaft" genommen worden.
An diesem Tage lässt das Regime eine Volksabstimmung zum Austritt aus dem Völkerbund und eine Reichstagswahl durchführen. Zur Wahl steht nur eine Liste der NSDAP, alle anderen Parteien sind nicht zugelassen. Man kann nur durch ein Kreuz seine Zustimmung ausdrücken, den Wahlzettel ungültig machen oder nicht zur Wahl gehen. Die Wahlbeteiligung in der Grafschaft liegt bei 97,8 %. Bei der "Volksabstimmung" stimmen 93,8 % mit "Ja", 4,2 % mit "Nein", 2 % der Stimmen sind ungültig. 91,2 % der Wählerinnen und Wähler stimmen bei der Wahl der NSDAP-Liste zu, 8,8 % aller Stimmen sind ungültig.
In Nordhorn stimmen 8,5 % ungültig, in Gildehaus 10,4 %, da hier die Ereignisse um den ehemaligen Bürgermeister Buermeyer nachwirken. In Echteler liegt die Wahlbeteiligung nur bei 75,8 %, ungültig sind dort 38,3 % der Stimmen.
Der altreformierte Pastor Egbertus Kolthoff aus Veldhausen distanziert sich in dem von ihm herausgegebenen "Grenzboten" deutlich vom Nationalsozialismus und ihrem Einfluss in den reformierten Kirchen. Er kritisiert die Verwerfung des Alten Testaments und der Paulusbriefe durch die "Deutschen Christen" scharf und schreibt: "Die Annahme des Arierparagraphen durch die preußischen und einige andere Synoden traf uns und viele andere Christen wie ein schwerer Schlag. Es erschüttert uns tief, dass Prediger und Gemeindebeamte aus ihren Ämtern entfernt, Kirchenmitglieder ausgestoßen oder zu Christen zweiter Ordnung herabgesetzt werden, weil sie nach Geburt oder Herkunft Juden waren."
Die Altreformierten wählten in den 1920er Jahren überwiegend die Deutschnationale Volkspartei, dann die konservative Partei "Christlich Sozialer Volksdienst". Die NSDAP konnte in ihren Reihen kaum Fuß fassen. Der NSDAP und den staalichen Stellen galten die Altreformierten als unsichere Kantonisten, unter anderem, weil sie intensive Beziehungen in die Niederlande unterhielten.
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