Der Reisebericht der drei "Podagristen" aus dem Jahr 1843 - 7. Teil
... Auf dem langweiligen Rückwege bis Neuenhaus ereignete sich nichts Besonderes. Wir waren infolge der vielen Eindrücke, die wir in den letzten Tagen auf uns hatten einwirken lassen, auch viel zu müde, um über anderes nachzudenken.
... Nun begann für uns wieder die Reise zu Fuß nach Coevorden, jedoch gingen wir nicht über Emlichheim, sondern über Wilsum. Der Weg war zunächst recht anmutig, wurde aber später hügelig und eintönig. Den Uelser Turm sahen wir ab und zu zwischen den Tälern uns grüßen. Wohl nötigte er uns dringend zu einem Abstecher, aber die Zeit erlaubte es nicht. Um zehn Uhr war Torschluß in der Festung.
Langsam erklommen wir Anhöhe für Anhöhe und meinten jedesmal die hübsche Ortschaft Wilsum hinter der nächsten Anhöhe zu finden, aber öfters wurden wir getäuscht. Jeder Hügelkamm zeigte einen andern vor sich, der durch eine Mulde von ihm getrennt war. Der Gedanke, daß alles in der Welt ein Ende nehmen müsse, tröstete uns. Wir schritten daher wacker voran, bis der letzte Höhenzug überschritten war. Wilsum lag in süßer Ruhe mitten zwischen wogenden Kornfeldern und begrenzt von einigen Baumgruppen, die sich am Abhange vor uns ausdehnten. Der Turm lag nicht weit vor uns, schien aber unterzutauchen, als wir uns ihm näherten.
Nicht weit von der Kirche fanden wir eine behagliche Ruhestätte in der Tymanschen Wirtschaft. Kaffee, Bauernstuten und frische Eier schmeckten uns besser als jede andere herrliche Mahlzeit, die wir auf der Reise genossen hatten. Wir verließen den freundlichen Wirt und sein geräumiges Wohnhaus, um das nette Kirchlein zu besuchen, in dessen Mauern sich kurz vorher eine feierliche Begebenheit abgespielt hatte. Dominee Visch, ein würdiger Diener am Wort, hatte unlängst in seiner Gemeinde die 50jährige Amtsfeier begangen.
Der Pastor ist wegen seiner Bestrebungen um das Gemeinwohl weit über seinen Wirkungskreis bekannt. Er gilt weit und breit als bester Kenner der Vergangenheit von ganz Niedersachsen und hat vor 20 Jahren eine treffliche Geschichte der Grafschaft Bentheim in zwei Ausgaben geschrieben. Seine Verdienste sind denn auch neulich von der Obrigkeit gewürdigt worden; denn nach dem Festgottesdienst ist ihm im Namen Seiner Majestät des Königs Ernst August der Welfenorden verliehen worden. Wohl dem Fürsten, der die Verdienste so zu schätzen weiß, und wohl dem rechtschaffenen Prediger, der solch eines Beweises königlicher Huld würdig ist! Auch die Gemeinde hatte sich der Bedeutung des Tages würdig gezeigt. Wir wünschen dem Greise einen ruhigen Lebensabend nach solch tatenreichem Leben!
Längs einem schnell fließenden Bächlein, das uns von der Herberge aus begleitet hatte, hier und da künstlich aufgestaut war, um mit lieblichem Gemurmel kleine Wasserfälle zu bilden, dann weiter eilte, verließen wir das in jeder Hinsicht schöne Dorf, sahen einen ebenso langen wie langweiligen Sandweg vor uns, der uns nach Echteler wies. Wir blieben unwillkürlich stehen, um zu überlegen, ob wir weitergehen sollten oder nicht.
Doch wir hatten keine Wahl und lebten erst auf, als wir die zum Hause Echteler führende Baumreihe erreicht hatten. Früher gehörte die Besitzung einer Familie van Laar, später einem Herrn Geßler aus Neuenhaus, und gegenwärtig besitzt sie ein Herr Nieuhoff, ein Nachkomme des in holländischen Diensten umgekommenen Seefahrers Johann Nieuhoff. Mit Freunden begrüßten wir die Vechte, setzten über die Fähre und besuchten dann die letzte hannoversche Wirtschaft. Sie erinnerte uns an die erste, die wir mitten im Sprühregen frühmorgens betreten hatten.
Eilig tranken wir Kaffee; denn der lange Tag begann sich zu neigen, und die Hornmusik des Flankenbataillons vom vierten Regiment erinnerte uns mit wohlbekannten Tönen daran, daß wir in einer Festung zu Hause waren. Am Grenzstein sahen wir uns nochmals nach dem Hannoverland um, das in einen grauen Schleier gehüllt war und nur die Erinnerung von dem zurückließ, was wir gesehen und genossen hatten. Wir waren höchst befriedigt über den Abstecher. In drei Tagen hatten unsere Füße drei Königreiche betreten, aber Jahre werden die Erinnerung an die flüchtige Reise nicht aus unserm Gedächtnis tilgen können.
Ende