Die Grafschaft Bentheim in der Geschichte


1795

Helmut Lensing

1795 - Franzosen erobern die Burg Bentheim

Die Französische Revolution von 1789 wirkte sich auf ganz Europa aus. Auch die Grafschaft Bentheim blieb davon nicht verschont. Als eine Folge der Revolution tauchten französische Flüchtlinge auf, die ihr Heimatland als Gegner der revolutionären Kräfte verlassen hatten. Zum Teil schlossen sie sich in bewaffneten Verbänden zusammen.

Prägender war jedoch der Ausbruch des Ersten Koalitionskriegs, der am 20. April 1792 mit der Kriegserklärung der französischen Revolutionsregierung an Franz II. von Österreich begann. Da das Königreich Preußen ein Bündnis mit Österreich abgeschlossen hatte, folgte am 8. Juli 1793 die Kriegserklärung Frankreichs an Preußen. Die Koalition der französischen Kriegsgegner hatte sich bereits im Juni um Großbritannien erweitert.
An der Ostseite des Pulverturms stecken noch heute zwei Kanonenkugeln - Bild: AB
Der britische König amtierte zugleich als Landesherr von späteren Königreichs Hannover, zu dem auch die Grafschaft Bentheim gehörte. Damit war das Bentheimer Land in den militärischen Konflikt involviert. Zugleich zogen auch die Nachbarstaaten der Grafschaft gegen Frankreich in den Krieg, denn die Stände des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation hatten sich am 22. März 1793 dem Kampf gegen die Revolutionsregierung angeschlossen.

Darunter befand sich das Fürstbistum Münster, mit dem die Grafschaft die Grenze im Süden und Osten teilte. Trotz der vielen Gegner waren die Franzosen militärisch erfolgreich. Ab dem Juni 1794 drangen sie in die heutigen Niederlande und am Niederrhein ungestüm Richtung Norden vor. Mit dem Näherrücken der Front wurde Ende Dezember 1794 in der Bentheimer Burg ein Lazarett für Verwundete der Koalition eingerichtet, was zum Ausbruch von Krankheiten in der Stadt führte.

Der starke Frost förderte den Vormarsch der französischen Revolutionstruppen. Sie konnten die zugefrorenen Wasserstraßen in den Niederlanden, zuvor ein nur mühsam zu überwindendes Hindernis, jetzt unerwartet rasch überwinden.

Die Truppen der Koalition gegen Frankreich zogen sich daher immer weiter zurück. Sie planten, an der Ems eine neue Verteidigungslinie aufzubauen. Schon Ende Januar 1795 wurden angesichts des schnellen Vormarsches der Revolutionstruppen die Verwundeten von der Burg Bentheim über Meppen weiter nach Norden evakuiert. Ebenso machten sich französischen Flüchtlinge mit ihnen weiter auf den Weg gen Norden. Unter dem Befehl des erst 25jährigen Generals Joseph van Damme (auch Vandamme geschrieben) rückten die Franzosen im Spätwinter 1795 auf die Grafschaft vor.

Bei Gildehaus-Springbiel sammelten sich unter britischem Kommando stehende hannoversche, britische und braunschweigische Truppen zum Kampf gegen die Franzosen. Doch bevor diese Sammlung abgeschlossen war, griff General van Damme Mitte März 1795 überraschend an. Die Verbündeten wehrten sich nur kurz und zogen sich nach größeren Verlusten an gefallenen, verwundeten und gefangenen Soldaten Richtung Bentheim zurück.

Wie in einer 1876 publizierten Schilderung der Vorgänge zu lesen ist, folgten die nachrückenden Franzosen „unter stetigem, heftigem Feuer mit einer unglaublichen Schnelligkeit. Ehe man es sich versah, erschienen sie in Bentheim, forderten das Schloß zur Uebergabe auf, pflanzten, als diese zurückgewiesen war, sofort, ohne Verschanzungen und Batterien anzulegen, bei der Mühle und auf dem Ritterstein ihre Kanonen und Haubitzen auf und ließen dieselben gegen das Schloß spielen“.

Der Widerstand der alliierten Truppen in der Stadt war gering, denn diese hatten sich in Bentheim zunächst mit Plündern beschäftigt und keinerlei Verteidigungsvorbereitungen getroffen. Sie wurden zudem von einer zweiten Seite von einem Korps Franzosen attackiert, das mit zwei Kanonen vom Bentheimer Wald her auf Bentheim vorstieß. Die Koalitionssoldaten flohen nach dem „namhaften Verlust an Todten, Blessierten und Gefangenen“ sofort, wobei ihr Fluchtweg „mit Schinken, die sie beim Marketender Everzen sich zugeeignet hatten, und sonstigen geplünderten Sachen buchstäblich bedeckt“ war.

Inzwischen stand durch die weithin hörbare Kanonade ein Teil der Bentheimer Burg in Flammen, wobei das Kommandantenhaus und die Kanzlei komplett abbrannten. Da durch die Flucht der Koalitionstruppen eine Verteidigung des Schlosses nutzlos geworden war, kapitulierte die Besatzung. Sie konnte am nächsten Morgen in allen Ehren abziehen.

Daraufhin drangen die Franzosen in die Burg ein, „bemächtigten sich der Kanonen, die sie theils vernagelten, theils von den Schloßmauern hinunterwarfen, und richteten überhaupt arge Verwüstungen an“. Anschließend trafen sie Vorkehrungen, die vom General van Damme befohlene Sprengung des Schlosses zu vollziehen. Im Schloss fanden die Franzosen viele zurückgelassene Fässer mit Pulver. Davon wurden zahlreiche im Pulverturm gestapelt, ebenso kamen im langen Gang des „Neuen Gebäudes“ mit Pulver gefüllte Haubitzen, zusätzliche auf dem Kornboden. Weitere Gebäudeteile wurden mit Bomben bestückt. Alles wurde sodann mit Lunten und Pulverspuren verbunden.

Dann legte man eine Pulverspur über den Burgplatz bis zum Tor, wo diese mit einer brennenden Lunte angezündet werden sollte. Der befehlende Offizier hatte zwischenzeitlich die Einwohner Bentheims aufgefordert, sich schnellstens zu entfernen, wenn sie nicht unter Trümmerteilen der Burg begraben werden wollten. Sodann wurde die Pulverspur angezündet. Die Haubitzen explodierten eine nach der anderen. Die Detonationen ließen den Turm sichtbar schwanken. Die Explosion im Keller ließ das Billardzimmer des Schlosses und das Hofzimmer einstürzen.

Anschließend erwartete man mit Schrecken die Explosion der größeren Pulvervorräte, vor allem im Pulverturm. Nichts geschah! Den Rest des Tags und die ganze Nacht wartete man mit Bangen. Nachdem die Franzosen abgezogen waren, weil sie die fliehenden Feinde weiter schnell verfolgen und nicht zu Ruhe kommen lassen wollten, drang „Gesindel“ in das Schloss ein, um das Plündern fortzusetzen. Dabei wurde entdeckt, dass die Lunte zum Pulverturm durch eine zugeschlagene eiserne Tür durchtrennt und damit gelöscht worden war.

Das „Neue Gebäude“ war dadurch gerettet worden, dass ein herab gesprengter Mauerbrocken die Pulverspur blockiert hatte und das Feuer erlosch. So blieb der größte Teil der Burg unversehrt, wenngleich man die Zerstörungsspuren bis weit in das 19. Jahrhundert hinein gesehen haben soll. Bis heute stecken noch zwei Kanonenkugeln aus diesem Beschuss in der Ostseite des Pulverturms.

Nachdem die Koalitionssoldaten am 13. März in einem kleinen Gefecht bei Schüttorf vorrückenden Franzosen erneut unterlegen waren, zogen die Briten nach Norden ab. Die Verbündeten vermochten den weiteren Vormarsch der Franzosen nicht zu stoppen. In Lingen zählte man rund 21.000 britische Soldaten, die durch das kleine Städtchen Richtung Nordseehäfen zogen, von wo sie nach Großbritannien evakuiert wurden. Sie waren in der Emsstadt zeitweilig einquartiert.

Unter ihnen befanden sich viele deutschsprachige und einige exilfranzösische Einheiten. Die unter britischem Kommando stehenden Koalitionstruppen blieben in der Region allerdings nicht in guter Erinnerung, denn sie quartierten sich in Kirchen, Schulen und Gutshäusern ein. Dort hausten sie derartig, dass die Wiederherstellung der geplünderten und verwüsteten Gebäude Jahre benötigte.

 Quellen:
- Fickers, Manfred, Das lange Sterben der alten Ordnung: Der erste Koalitionskrieg 1792 – 1795 und der Zweite Koalitionskrieg 1798 – 1802 an Ems und Vechte, in: Emsländische Geschichte 26/2019 (im Druck).
- N.N., Die Zerstörung des Schlosses Bentheim im Jahre 1795, in: Lingensches Wochenblatt Nr. 16 vom 23.03.1876 (mit den Zitaten).

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