Die Grafschaft Bentheim in der Geschichte


Zeitung

Helmut Lensing

Das „Wochenblatt der Grafschaft Bentheim“

Die erste Zeitung im Bentheimer Land entstand zur Franzosenzeit
In der dünnbesiedelten, von großen Mooren, Sümpfen und Heidegebieten geprägten Grafschaft Bentheim konnten die vielen wenig bemittelten Einwohner für Bildung wenig Zeit und Geld erübrigen. Höhere Schulen waren hier bis in die Weimarer Republik kaum vorhanden. So verharrte auch das Bedürfnis nach Presseerzeugnissen in diesem Landstrich lange Zeit auf sehr niedrigem Niveau. Die wenigen Besitz- und Bildungsbürger bezogen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts auswärtige Zeitungen, in der Regel aus den Niederlanden, denn Niederländisch war die Grafschafter Bildungs- und Kirchensprache.
Nr. 36 des "Wochenblatt de Grafschaft Bentheim"
Dennoch erschien hier bereits am 12. Januar 1804, zur Zeit der französischen Vorherrschaft in Europa, die erste Zeitung der Region – Jahrzehnte bevor das Emsland nachzog. Herausgeber der ersten Grafschafter Zeitung war der Bentheimer Friedrich Conrad Hacke. Der gelernte Buchdrucker, der am Grafschafter Verwaltungssitz eine Buchhandlung betrieb, sah seine Existenz durch die Niederlassung eines Buchbinders in der Gemeinde gefährdet und ersuchte daraufhin um die Genehmigung zur Errichtung einer Druckerei. Sie ging 1803 in Betrieb. Um sie besser auszulasten, beantragte er anschließend, eine Zeitung herausgeben zu dürfen, was von den französischen Besatzungsbehörden nach längerem Hin und Her genehmigt wurde.

Seit Ende Mai 1803 waren nämlich französische Truppen in der Grafschaft stationiert, die vom Grafen von Bentheim an das Kurfürstentum Hannover verpfändet war. Daher übte offiziell Hannover die Oberhoheit in der Grafschaft aus, de facto jedoch die französischen Besatzer.

Allerdings gab es amtliche Auflagen für Hacke. Die Regierung wollte durch die Presse in ihrem Sinne auf die Bevölkerung einwirken, weshalb der Druckereibesitzer jede Ausgabe unaufgefordert zur Zensur vorzulegen hatte. Bei einem Verstoß gegen die Zensurbestimmungen konnten die vom Herausgeber hinterlegte Kaution einbehalten sowie die Konzession zur Herausgabe einer Zeitung entzogen werden. Damit sollte eine größtmögliche Regierungstreue und höchste Behutsamkeit bei der Behandlung politischer Fragen gewährleistet werden.

Das „Wochenblatt der Grafschaft Bentheim“ wurde zunächst von Hacke persönlich, daraufhin von dem in Bentheim wohnenden hohen hannoverschen Verwaltungsbeamten Christoph Nikolaus Duncker redigiert. Als im Juli 1804 Graf Ludwig I. (1756-1817) seine an das Königreich Hannover verpfändete Grafschaft von den Franzosen zurückerhielt und – aus seinem vorherigen Wohnsitz Paris kommend – als Herrscher von Frankreichs Gnaden in die Grafschaft Bentheim einzog, musste der im hannoverschen Verwaltungsdienst stehende Regierungssekretär Duncker die Redaktion niederlegen und die Grafschaft verlassen.

Sein Nachfolger wurde zunächst der Advokat Cramerus aus Neuenhaus und zuletzt der reformierte Pastor Wessel Friedrich Visch (1773-1860) aus Wilsum, der vorher schon mit Gedichten dort vertreten war.

Die erste Grafschafter Zeitung bestand aus vier nahezu DIN-A-4 großen Seiten und war in lateinischen Lettern auf hochdeutsch gedruckt. Auf dem Kopftitel war eine stilisierte Abbildung der römischen Göttin Fama zu sehen, was wegen des ihr in der Sage zugeschriebenen Rufes andeuten sollte, dass das „Wochenblatt“ die Verkünderin von Neuigkeiten sein wollte.

Kritik oder gar schriftliche Angriffe gegen Staat, Religion, Beamtenschaft oder die französischen Besatzungsbehörden waren unter Strafe gestellt. So nimmt die Zeitung, die jede Woche am Donnerstag erschien, von den epochalen Veränderungen der Zeit kaum Notiz. Selbst Berichte aus der Grafschaft waren selten.

Es dominierten moralisierend-belehrende Artikel im aufklärerischen Geist der Zeit, Ratschläge, etwa wie man das Rußen von Öllampen vermeidet oder Tintenflecken aus Büchern entfernt, Erbauliches („Ein Geizhals, schrecklich durch sich selbst bestraft“) und heimatkundlich-genealogische Abhandlungen.

Die Anbiederung des Blattes an die Obrigkeit, nicht nur wegen der strengen Zensur, sondern auch wegen der schleppenden Nachfrage und dem dadurch gestiegenen Bedarf an öffentlicher Förderung nötig, zeigte sich besonders, als im Juli 1804 Graf Ludwig mit Hilfe der Franzosen seine Herrschaft in der Grafschaft antrat. Die Leser erhielten eine detaillierte Beschreibung, wie der Graf in allen Gemeinden seines kleinen Herrschaftsgebiets bei einem Umritt anlässlich seines Regierungsantritts enthusiastisch gefeiert wurde.

Dem folgte eine sechswöchige Lobeshymne des Redakteurs Cramerus über den Grund der Freude, die die Grafschafter Bevölkerung erfüllte, nachdem nun wieder der angestammte Landesherr im Bentheimer Land regiere.

Doch schon im Dezember 1804, noch im Jahr des ersten Erscheinens, klagte Cramerus, dass sich zu wenig Abnehmer der Zeitung gefunden hätten. Doch solle sie, wegen der staatlicherseits häufig betonten Notwendigkeit einer Zeitung und den hohen Anschaffungskosten der Druckerei für den Herausgeber, weiter erscheinen in der Hoffnung auf mehr Bezieher. Geplant sei, zur Steigerung der Attraktivität des „Wochenblattes“ diese durch Beilagen zu vergrößern, mehr Mitarbeiter zu gewinnen und politische Nachrichten aufzunehmen.

Diese Hoffnungen erfüllten sich offenbar nicht, denn 1805 wurde der Inhalt noch bescheidener, und Cramerus bat die Leser wiederholt flehentlich, ihn durch Abonnements zu unterstützen.

Obwohl die Regierung dem Blatt Ende 1805 eine finanzielle Hilfe gewährte, musste die Zeitung ihr Erscheinen mit der Ausgabe vom 2. Februar 1806 einstellen. Begründet war dies neben dem dürftigen Inhalt in der ungenügenden Auslastung des Blattes mit Privatanzeigen, dem finanziellen Rückgrat einer Zeitung.

Die örtliche Geistlichkeit beharrte auf dem Privileg der mündlichen Verbreitung von Gesuchen und Angeboten, um ihre schmale Entlohnung aufzubessern. Sie hatte dabei ein weit größeres Publikum als die Zeitung. Ferner fand ein deutschsprachiges Presseorgan bei den niederländischsprachigen Bildungsbürgern wenig Anklang, trotz einiger niederländischsprachigen Anzeigen oder Bekanntmachungen.

Doch der Druck in deutscher Sprache war ein wesentlicher Punkt bei der behördlichen Genehmigung gewesen. Bislang sind lediglich acht unterschiedliche Ausgaben bekannt, wobei Heinrich Specht 1928 noch zwei Jahrgänge bei Nachfahren Hackes in Bentheim einsehen konnte.

Literatur
  • Kip, Georg, Die älteste Zeitung der Grafschaft Bentheim, in: Zeitung und Anzeigeblatt. Jubiläums-Ausgabe vom 15.08.1924.
  • Friedrich, Willy, Das Zeitungswesen im Kreis Grafschaft Bentheim, in: Der Landkreis Grafschaft Bentheim. Geschichte – Landschaft – Wirtschaft. Hrsg. in Zusammenarbeit mit der Kreisverwaltung. Gesamtredaktion: Oberkreisdirektor Dr. Ernst Mawick, Oldenburg 1967, S. 168-169.
  • Lensing, Helmut, Die Presselandschaft der Grafschaft Bentheim bis 1945, in: Bentheimer Jahrbuch 1994 (Das Bentheimer Land, Bd. 129), Bad Bentheim 1993, 203-248, S. 203-205.
  • N.N., Das Wochenblatt für die Grafschaft Bentheim, in: Grafschafter Nachrichten. Jubiläums-Ausgabe vom 01.11.1954.
  • Sager, Ludwig, Aus der ersten Grafschafter Zeitung, in: Schüttorfer Zeitung Nr. 55 vom 05.03.1932.
  • Specht, Heinrich, Zur Geschichte des Grafschafter Zeitungswesens. Die erste Bentheimer Druckerei und Zeitung, in: Bentheimer Zeitung Nr. 259 vom 02.11.1928 (Festausgabe zum fünfzigjährigen Bestehen).
  • Specht, Heinrich, Zur Geschichte des Zeitungswesens. Die erste Bentheimer Druckerei und Zeitung, in: Grafschafter Heimatkalender für das Jahr 1929 (4. Jahrgang). Bearbeitet von Heinrich Specht, hrsg. von Heinrich Kip, Neuenhaus 1928, S. 92-97.
Nr. 38 des "Wochenblatt de Grafschaft Bentheim"
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