Die Grafschaft Bentheim in der Geschichte


Schulmeister

Alois Brei

Die Pflichten eines Schulmeisters

In Lage stand am Ortsausgang in Richtung Neuenhaus bis 1960 ein kleines, rechteckig angelegtes Gebäude. Es war die erste Schule von Lage. Amadea von Flodroff veranlasste nicht nur den Bau des Herrenhauses und der Kirche, sie ließ 1691 auch eine Schule bauen. Seither waren die Twickelschen Grundherren nicht nur Patrone der Kirche, sondern auch der Schule.
In diesem Gebäude wurden die Lager Kinder ab 1691 unterrichtet. Bis 1830 diente es als Schule, danach u. a. als Konfirmandensaal. 1960 wurde es abgerissen. - Bild: Digitales Archiv Lage
Im Twickelschen Archiv in Delden wird die Anstellungsurkunde des Lehrers Hermannus Schrader aus dem Jahr 1692 aufbewahrt. Der Grundherr Jacob, Baanderherr van en tot Wassenaer, Herr van Obdam, erwartete,

… dass er aufrichtig und vertrauensvoll seinen Dienst verrichtet und sich besonders der Jugend und den Schulkindern widmet. Er soll sich im Sommer wie im Winter mit Fleiß bemühen, sie in Lesen, Schreiben, Singen und Beten gewissenhaft zu unterrichten; außerdem soll er sie mittwochs und sonnabends mit dem Lesen des Katechismus beschäftigen. ...

Darüber hinaus muss er sonntags vor der Predigt das Morgengebet sprechen und nach Rücksprache mit dem jeweiligen Prediger fünf Hauptstücke oder ein Kapitel aus der Bibel vorlesen, Kirche und Orgel sauber halten und Uhrwerk und Glocke stets kontrollieren; mittags um zwölf und abends um neun Uhr läuten. Außerdem muss er sich stets so führen, wie es sich für einen getreuen und verantwortungsbewussten Lehrer, Küster und Organisten gehört. Entsprechend seinen Aufgaben soll er für seine Dienste ein festes jährliches Gehalt genießen, ein freies Leben in der Gemeinde führen und auch von Bürgerdiensten frei sein.


Schließlich legte der Grundherr noch fest, dass der Lehrer jährlich zu Ostern den Schlüssel der Kirche, der Schule und der Orgel an die Kirchentür hängen musste, damit der Herr von Lage seine Arbeit prüfen und damit entscheiden konnte, „ob er in seinem Dienst bleiben kann oder auch nicht.“

Als Gehalt bezog der Lehrer jährlich 50 Caroligulden, die die Provinz Overijssel beitrug, sowie weitere 58 Gulden, die sich aus Erträgen verschiedener Kapitalien zusammensetzten. Der Caroligulden war die seit 1679 geltende Silberwährung der Niederlande, eingeteilt in 20 Stüver. Darüber hinaus „soll er die Ehre haben und genießen die freie Wohnung und den Gebrauch meines Hauses und Hofes gelegen an der Kirche, außer dem Dachboden des Hauses, der mir zur Verfügung steht.“ Außerdem erhielten die Lehrer das schon erwähnte Schulgeld von jedem Kind, das den Unterricht besuchte.

Die Verpflichtungen des Lehrers Schrader wiederholen sich weitgehend wörtlich auch in den Anstellungsurkunden seiner Nachfolger. Erst Lehrer Götker (1884 – 1913) wurde vom Grundherrn von den Pflichten eines Küsters entbunden, das Amt des Organisten nahmen die Lehrer von Lage bis 1924 wahr.

1724 bestimmte das Schulreglement, dass der Schulunterricht die fünf Hauptstücke der christlichen Lehre behandeln musste, außerdem Lesen, Schreiben, Rechnen und Singen umfasste. Der Unterricht fand meistens vormittags von 9 - 11 und nachmittags von 2 - 4 Uhr statt, in den Sommermonaten Juni, Juli und August fiel der Unterricht aus.

Die Kinder, die vom 1. September bis zum 1. Juni in die Schule gehen wollten, entrichteten in den ersten 3 Monaten wöchentlich 1 Stüver Schulgeld, in den folgenden 3 Monaten wöchentlich 6 Deute und die letzten 3 Monate wöchentlich 4 Deute; insgesamt also für die 9 Monate 1 Gulden, 9 Stüver und 2 Deute.

Bis 1823 galt, dass der örtliche Pastor im Auftrag des Grundherrn die Aufsicht über die Schule führte. Von 1823 bis 1884 lag die Schulaufsicht beim Königlichen Oberkirchenrat der Grafschaft Bentheim in Verbindung mit dem Königlichen Konsistorium zu Aurich. Seit 1884 stand die Schule unter der Leitung der Königlichen Regierung in Osnabrück. Der Pastor blieb im Rahmen der staatlichen Schulaufsicht weiterhin der „Ortsschulinspektor“. Erst ab 1920 ging die Aufsicht an den staatlichen „Kreisschulrat“ über.

Ein neuer Lehrer wurde angestellt, wenn der Vorgänger starb oder fortzog. Die Lehrer erhielten ihre Anstellung auf Grund „guter Zeugnisse, die wir bekommen haben, über Fähigkeiten und guten Lebenswandel“. Diese Beurteilungen wurden in der Regel vom örtlichen Pastor abgegeben. Erstmals 1821 findet sich die Anforderung, dass der Lehrer neben der niederländischen auch in der deutschen Sprache unterrichten können musste. Lehrer Verbeck-Borggreve war der erste, dessen Eignung durch eine Prüfung vom Oberkirchenrat festgestellt wurde (1833). In seiner Anstellungsurkunde waren besondere Pflichten festgehalten:

Jede Woche soll er einmal Kirche und Schule gründlich fegen. Ferner muss er auf das Uhrwerk, die Glocke, Orgel sowie auf die Totenbahre stets gebührend Acht geben und alles in Ordnung halten. Zusätzlich muss er das Verläuten von Toten übernehmen zu entsprechender Zeit.

Nur in wenigen Fällen erreichten die Lehrer ihren Ruhestand. Der 73jährige Lehrer Jan Hendrik ten Bosch bat 1821 nach immerhin 52 jähriger Dienstzeit:

Der unterschriebene Lehrer von Lage gibt sehr ehrerbietig Ihrer Hochgräflichen Excellenz zu verstehen, dass er wegen seines hohen Alters und den dazu kommenden körperlichen Gebrechen sich genötigt sieht, aus diesen Gründen um seinen Ruhestand zu bitten. Er bittet gleichzeitig demütigst darum, dass ihm für das Alter eine jährliche finanzielle Zuwendung gewährt wird, die den Kosten für Lebensunterhalt bezüglich Kost und Kleidung und auch für gewisse Annehmlichkeiten und Notwendigkeiten für das Alter entspricht, damit für ihn mit 73 Jahren keine finanziellen Schwierigkeiten auftreten können.

Lehrer Verbeck-Borggreve stand schon im 75. Lebensjahr, als er 1884 um seine Versetzung in den Ruhestand ersuchte.

Quelle: Lage - Geschichte und Geschichten, herausgegeben vom Dorf-, Burg- und Mühlenfreunden Lage e. V., Lage 2008
 
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